Es gibt nur drei wirklich sichere Wege, die Verjährung von Ansprüchen unserer Mandanten zu verhindern:
1. Einen wirksamen Verzicht der richtigen Gegenseite auf die Einrede der Verjährung
2. die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags mit Klageentwurf
3. die Klage selbst.
Und ACHTUNG:
Verhandlungen sind kritisch, weil sie die Verjährung zwar „hemmen“, der gegnerische Haftpflichtversicherer die Verhandlungen aber jederzeit abbrechen kann.
Dann hat man nur noch wenige Wochen Zeit zu klagen.
Wann beginnt Verjährungsfrist?
Wir als Patientenvertreter prüfen zunächst immer bei allen Mandaten, wann die Verjährung zu laufen begonnen hat.
Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährung nicht mehr mit der Entstehung des Anspruchs, sondern mit dem Schluss des Jahres,
• in dem der Anspruch entstanden ist (also der Behandlungsfehler passiert ist)
• und der Patient über den Schaden sowie über den Schädiger Kenntnis erlangt hat oder bis zum 31.12. (24 Uhr) des jeweiligen Jahres ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
„Was wusste der Patient?“ entscheidet über den Beginn der Frist
„Was wusste der Patient?“ – Diese Frage kann also entscheiden, ob und wann ein Anspruch verjährt.
Es ist dazu nicht erforderlich, dass der Geschädigte alle Einzelumstände des Schadensverlaufs kennt.
Sobald der medizinische Laie feststellt, dass er Fehlleistungen des Arztes erkannt hat, beginnt die Frist zu laufen.
Solche Fehlleistungen sind:
- Der behandelnde Arzt ist von dem üblichen medizinischen Vorgehen abgewichen
- Der behandelnde Arzt hat Maßnahmen nicht getroffen, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich waren
- Der behandelnde Arzt hat den Patienten nicht ordnungsgemäß aufgeklärt.
Wann ergibt sich die Erkenntnis des Laien?
Diese Kenntnis des Patienten ergibt sich aber nicht bereits daraus, dass aus eingetretenen Komplikationen auf einen Behandlungsfehler hätte geschlossen werden können.
Diese Kenntnis des Patienten ergibt sich erst dann, wenn er als medizinischer Laie erkennen kann, dass der aufgetretene Gesundheitsschaden auf einem fehlerhaften Verhalten des Arztes beruht. Dazu muss er nicht nur die wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs kennen oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennen, sondern auch Tatsachen kennen, die den Schluss zulassen, dass der behandelnde Arzt von dem üblichen medizinischen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, der nach ärztlichem Standard hätte treffen müssen (BGH, Urteil vom 08.11.2016, VI ZR 594/15).
VORSICHT! Schlichtungsstellen!
Problematisch ist es in derartigen Fällen, die Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen bei den Gutachterkommissionen anzurufen. Das Verfahren hemmt zwar die Verjährung.
Die Gutachterkommission wird und darf sich allerdings nur mit den Behandlungsfehlern befassen, die der Patient und/oder sein Rechtsanwalt auch vorbringt. Hat es Behandlungsfehler gegeben, die nur ein externer Sachverständiger feststellen kann, und sind diese dann nicht im Antrag enthalten, ist wegen dieser Behandlungsfehler Verjährung eingetreten.
Achtung: Verjährung bei Aufklärungsfehlern!
Bei Ansprüchen wegen Aufklärungsmängeln beginnt die Verjährung ebenfalls nicht schon dann, wenn der Patient einen Schaden erlitten hat. Hinzutreten muss noch die Kenntnis, dass der Schaden nicht auf einem Behandlungsfehler beruht, sondern eine Komplikation der medizinischen Behandlung ist, über die der Patient hätte aufgeklärt werden müssen (BGH NJW 2007, Seite 2020).
Ist also z.B. überhaupt keine Aufklärung erfolgt, so ist dies dem Patienten von Anfang an bekannt!
Anders als beim Behandlungsfehler besteht beim Aufklärungsfehler eine Pflicht des Patienten, sich bei einem Anwalt beraten zu lassen (OLG München, Versicherungsrecht 2006, Seite 705).
Strafrechtliche Anzeige gegen einen Arzt
Erfährt der Geschädigte, dass der behandelnde Arzt in einem Strafverfahren angeklagt oder sogar verurteilt wurde, so muss er grundsätzlich schnellstmöglich einen Rechtsanwalt einschalten.
Das Strafverfahren hat keinen Einfluss auf die Verjährung der zivilrechtlichen Ansprüche des Patienten. Weder hemmt noch unterbricht es die Verjährung!
Wie verhindern wir sicher die Verjährung eines Anspruchs?
Die beiden sichersten Mittel, der Verjährung zu entgehen, sind
• ein wirksamer Verzicht auf die Einrede der Verjährung durch den richtigen Träger der medizinischen Behandlung bzw. dessen Haftpflichtversicherung
• die Klage des Geschädigten
Wenn Verhandlungen „einschlafen“
Wenn sich eine Haftpflichtversicherung nicht nach vier Wochen meldet, gelten die Verhandlungen als „eingeschlafen“.
Verhandlungen schlafen nie „einfach so“ ein.
Alle Arten von Verzögerungstaktiken sind beliebte und bekannte Mittel von Versicherungen und ihren Kunden (Ärzten und Kliniken), Ansprüche verjähren zu lassen – und dadurch Geld zu sparen.
Vorsorglich möchten wir an dieser Stelle einfügen: Wir sagen so etwas nicht aus ideologischen Gründen, sondern aus Erfahrung.
Deshalb drängen wir immer auf den zügigen Start der Verhandlungen.
Wenn Verhandlungen dennoch nicht beginnen, werden wir
• grundsätzlich verlangen, dass die gegnerische Versicherung innerhalb eines vernünftigen, realistischen Verhandlungszeitraums NICHT mit Verjährung argumentiert
• innerhalb von zwei Wochen Klage erheben